„Verdammnis“ von Daniel Alfredson
Gestern durfte ich im Rahmen der Stieg-Larsson-Filmnacht im Saarbrücker Cinestar-Kino den zweiten Teil der Millenium-Trilogie, „Verdammnis“, der heute in den Kinos anläuft, im Preview sehen.
Wer beide Filme hintereinander sieht, vergleicht automatisch. Der zweite Teil erzählt ebenso wie der erste eine spannende, verworrene Geschichte, Noomi Rapace gibt die Lisbeth Salander genauso inspiriert, aber insgesamt kann der zweite Teil nicht so begeistern wie der erste.
Ich habe gestern Abend nach dem Besuch der Filmnacht noch die Kritik von Björn Becher in Filmstarts gelesen. Er gibt treffend wieder, was auch mein Eindruck war:
….So erwies sich der eigentliche Kriminalfall bei „Verblendung“ noch als recht standardisiert – zwar spannend, aber ganz sicher nicht der große Reißer. Es sind die Charaktere, die den Leser/Kinobesucher so sehr fesseln. Sie sind ganz und gar nicht alltäglich und entblättern ihre Facetten nur langsam. In den Nachfolgern rücken die Figuren nun noch stärker in den Mittelpunkt und die Thriller-Handlung ist ganz eng mit ihrem Privatleben verknüpft. Das hat zur Folge, dass der Krimi-Plot in den Romanen noch um ein Vielfaches intensiver wirkt als im Vorgänger. Doch im Film schlägt sich dieses Plus nur partiell nieder. Daniel Alfredson, der die Regie von Niels Arden Oplev übernommen hat, fällt visuell einfach nicht allzu viel ein. Oplevs Bilder bewiesen Kinoqualität. In „Verblendung“ wurde geschickt mit Montagen und Zooms gearbeitet und so eine eindrucksvolle Atmosphäre erzeugt. Bei Alfredson sieht das Ganze nun visuell teilweise nach einem durchschnittlichen TV-Krimi aus. Vor allem in der ersten halben Stunde macht sich das negativ bemerkbar. Das einzige Stilmittel, das Alfredson in dieser Zeit ausdauernd nutzt, sind Close-Ups. Negativer Höhepunkt ist eine Gesprächsrunde in der Redaktion von „Millennium“, bei der einfach nur sprechende Köpfe abgefilmt werden.
Der Regisseur zeigt offen Bewunderung für seine Hauptfigur. Immer wieder bleibt die Kamera einen Moment länger an Noomi Rapace hängen, als es eigentlich nötig wäre. Und ausgerechnet dank dieser unverhohlenen Huldigung fängt sich die Inszenierung nach und nach. Wenn er Rapace ins Bild rückt, fällt Alfredson plötzlich auch etwas ein. Höhepunkte sind eine ultracoole Motorradfahrt, nachdem Lisbeth kurz zuvor zwei harte Rocker auseinandergenommen hat, sowie eine kurze Aufnahme der ruhenden Lisbeth, die sich auf ihre Achselhaare fokussiert. Hier wird das Grundthema von Larssons Roman-Trilogie „Männer, die Frauen hassen und eine Frau, die erbarmungslos zurückschlägt“ noch einmal deutlich. Ein sehr gelungener Moment ist auch der Kampf des Ex-Kickbox-Meisters Paolo Roberto, der sich selbst spielt, gegen den deutschen Hünen Roland Niedermann (Micke Spreitz). Alfredson schafft es hier innerhalb weniger Einstellungen, dem Publikum die ganze Gegensätzlichkeit der Kontrahenten vor Augen zu führen. Ein flinker, technisch versierter Profi, der Treffer um Treffer landet, gegen einen Riesen, der sich nicht richtig bewegen kann, aber regungslos jeden Schlag einsteckt. Mit dieser Szene schafft Alfredson eine Faszination für diesen blonden, grobschlächtigen Antagonisten, der für die Handlung von „Verdammnis“ und „Vergebung“ so wichtig ist.
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Fazit: Obwohl „Verdammnis“ schon ab dem Einsatz des vom Vorgänger bekannten Musikthemas fesselt, reicht er nicht ganz an „Verblendung“ heran. Die deutlich spannendere Thriller-Geschichte verliert sich einfach zu stark in der weniger inspirierten visuellen Umsetzung. Da kann Noomi Rapace noch so hervorragend als Kick-Ass-Amazone auftrumpfen.
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